5. Werner-Patela-Gedenkturnier 14.09.07 - 16.09.07


„Gibt es eigentlich auch eine Halmagöttin?“

Wenn ich so darüber nachdenke, welchen Kommentar bezüglich der Qualität meines Schachspiels ich bisher wohl am meisten gehört habe, komme ich relativ zügig zu der Erkenntnis, dass es sich dabei wohl um „Ach, komm schon, so schlecht ist Halma doch gar nicht. Du würdest es mögen! Bestimmt!“ handeln muss.

Nun mag Halma an sich ja ein wunderbares Spiel sein, höchst komplex und voller faszinierender Wendungen, jedoch bin ich vorallem für meine Sturheit bekannt. Und so ließ ich auch diesmal nicht die Möglichkeit ungenutzt, meine zweifelhaften Fähigkeiten im Schach unter Beweis zu stellen, und begleitete Volker und Philipp Heinrich zum Turnier in Schwante. Und um die Reserven des Autos voll auszunutzen, durfte sich Carlo Borchardt (BSG Stahl Eisenhüttenstadt) ebenfalls im „Reisebus“ lümmeln.

Die Anreise gestaltete sich unkompliziert, und kaum auf dem Parkplatz vorm Spiellokal angekommen, sah ich auch schon das Schiedsrichter-Mobil nebs Fahrer, Gudo Springer. Welch glückliche Fügung! So hatten doch die freundlichen Begrüßungsworte „Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!“ ein wenig Wahrheitsgehalt.

Nach einer kurzen Stärkung in der benachbarten Gaststätte mit Schnitzeln in einer für Schwante scheinbar ganz typischen Größe, sprich Wagenrad, ging es dann an die erste Runde. Und während Volker und Philipp voll überzeugten mit Siegen gegen Michael Gebauer bzw. Dr. Sayed El Sayed (beide SC Schwante), und Carlo wie üblich nach großem Kampf einen halben Punkt gegen Jens Stegmann (SC Zugzwang 95) einfuhr, lauerte mir gegenüber mit Rainer Hoffmann (SC Schwante) die Nr. 1 der Setzliste. Und wieder mal erwies sich mein „Repertoire“ gegen 1.d4 als mangelhaft. Dieser von mir spontan „Lasker-Katalanisch-Damenindisch-Gambit-Hybrideröffnung“ getaufte Schwachsinn, den ich aufs Brett brachte, wurde rasch „widerlegt“, und ich verbrauchte enorm viel Bedenkzeit, um die Stellung zu halten. Nach einem kraftvollen Turmzug meines Gegners auf die 7. Reihe und mit 2 Minuten auf der Uhr gab ich dann aber im 26. Zug endlich auf. Der Fakt, dass mir das Blechmonster namens Fritz später erzählte, die Partie hätte nie die Remisbreite verlassen, und in der Schlussstellung hätte ein einfacher Turmzug den von mir gesehenen Figurenverlust abgewendet, verbesserte meine Laune nicht entscheidend.

Vielleicht ist ja Halma wirklich nicht so übel….

Die Nemesis ob meiner liebevollen Begrüßungsformel an Gudo Springer ereilte uns dann wie gewöhnlich prompt. Doch nicht er selbst machte sich die Hände hierbei dreckig, oh nein, er überlies diesen schmutzigen Job seinem fiesen Kumpel - der Auslosungsmaschine. Und so lauteten zwei Partien der 2. Runde wie folgt: Philipp Heinrich - Volker Heinrich und Olaf Budach - Carlo Borchardt. Das gab zusätzlich Kraft für den Abend, und nach nur kurzer, trockener Unterhaltung (Leider hatten wir Flüssigverpflegung vollkommen vergessen…) begaben wir uns zur Ruhe.

In der sehr ordentlich eingerichteten Ferienwohnung inklusive zweier (!) Bäder waren diese Ruhestunden tatsächlich sehr angenehm. Der außergewöhnlich faire Preis entschädigte dann auch für die Tatsache, dass Wasser in meiner Dusche nur in zwei Versionen erhältlich war: kochend heiß oder als Eiswürfel direkt aus dem Hahn klimpernd. Trotzdem kann ich diese Unterkunft nur wärmstens empfehlen. (Als Adressinformationen kann ich im Moment nur „Kremmen, Direkt über dem Fahrradladen“ angeben, aber vielleicht finde ich später noch weiteres hierzu.)

Am nächsten Morgen folgte dann die zweite Runde, und wer nur die Ergebnisse kennt (Heinrich-Heinrich remis ebenso wie Budach-Borchardt), wird sich wohl einen mahnenden Kommentar bezüglich „Remisabsprachen“ und „Vorbildfunktion“ etc. nicht verkneifen können. Doch fernab jedweder Logik verausgabten sich alle 4 Teilnehmer unserer kleinen „Expedition“ fast völlig. Beim Briesener Familienduell gewann Volker zunächst einen Bauern, doch fand er sich danach in einer äußerst gedrückten Stellung wieder. Philipp nutzte die beiden offenen Linien am Königsflügel erstaunlich effektiv, und kurz vor dem Drift in ein Endspiel mit einem Mehrbauern, jedoch miserabler Bauernstruktur und sehr aktiven gegnerischen Figuren bot Volker realitätsbewusst Remis an, was Philipp auch annahm.

Noch wesentlich weniger Anzeichen von Remisabsprachen gab es dann im anderen „Bruderkampf“. Aus einer schwerblütigen Stellung heraus entwickelte sich plötzlich eine wahre Taktikschlacht, die uns beide wie üblich sehr viel Bedenkzeit kostete, mir aber eine Qualität einbrachte. In beiderseitiger Zeitnot blitzten wir dann die letzten 5 Züge runter, und nachdem ich mein Partieformular vervollständigt hatte, begab ich mich an die „frische Luft“ zur „Entspannung“. Wenig später folgte mir dann mein Gegner, und bot mir mit den Worten „Jetzt musst du ja die Quali auch wieder zurückgeben“ Remis an. Als ich ans Brett zurückkehrte, wurde ich des Schlamassels, in das mich mein letzter Zug gebracht hatte, gewahr, zählte rasch die Bauern durch und nahm aufgrund des Mehrbauers meines Gegners das Remis an. Da ich mich nicht imstande sah, diese Partie zu analysieren, musste mich am nächsten Tag Gudo Springer darauf hinweisen, dass Carlo in der kurzen Blitzphase eine Figur geopfert hatte, und ich somit in der Schlussstellung über einen ganzen Turm mehr verfügte, und nicht nur über die Qualität. Nicht erwähnt werden muss wohl, dass er natürlich vollkommen recht hatte, und ich das einfach übersehen hatte. Trotzdem ein gerechtes Ergebnis für eine wahrhaft spannende Partie!

Beim Halma gibts doch keine Türme, oder?

Während unsere Kampfpartie Carlo und mich zu beflügeln schien, und in der dritten Runde Siege gegen Mario Oberling (SV Cassia Falkensee 1997) bzw. Manfred Kopiske (SC Schwante) dabei heraussprangen, schien bei den Heinrichs das Gegenteil der Fall zu sein. Volker agierte ein wenig lustlos, um das vielleicht doch vorteilhafte Endspiel gegen Horst Mohr (SV Cassia Falkensee 1997) dann remis zu geben, während Philipp dem Remis durch Stellungswiederholung auswich, um weiter zu kämpfen. Dass er eine Qualität weniger hatte, schien ihn nicht zu beeindrucken, aber sein Gegner Martin Weinert (SV Gryps) nutzte diesen Vorteil dann doch geschickt aus, und fuhr den vollen Punkt ein.

Da wir natürlich aus dem staubtrockenen Vorabend unsere Lehren gezogen hatten, hatte sich Volker zum ALDI begeben, um edles Gesöff zur Feier des Tages zu organisieren. Doch schon Paul Kuhn sang voller Weisheit „Es gibt kein Bier beim ALDIIII, es gibt kein Bier…“, oder ähnlich, und so konnte leider nur „Maternus Premium Pils“ aufgetrieben werden. Dies dämpfte die Stimmung aber keineswegs, und nach einer relativ kurzen Nacht begaben wir uns mit neuem Mut an die Bretter.

Die vierte Runde wurde dann tatsächlich sehr erfolgreich für unsere kleine Briesener Delegation. Philipp gewann nach kurzem taktischen Geplänkel souverän gegen Horst Mohr, immerhin die Nr. 2 der Setzliste, und Volker münzte eine Unaufmerksamkeit seines Gegners Joachim Müller-Schwartz (SC Schwante) in den Sieg um.

Mein Gegner, Turnierleiter Frank Wessel (SC Schwante), verteidigte sich gegen meinen Königsinder im Anzug ein wenig passiv, was dann im 15. Zug in den ersten Bauerngewinn mündete. Den etwas später gewonnenen zweiten Mehrbauern gab ich dann zurück, um in ein leicht vorteilhaftes Endspiel einzuleiten. Hier verteidigte sich Frank Wessel zwar sehr geschickt, musste sich dann aber angesichts einer Zugzwangstellung doch geschlagen geben.

Glücklicherweise kannte ich hier mal die Eröffnung ziemlich gut, und hatte so etwas Zeit, draußen vor dem Spiellokal einige wichtige Regelfragen zu erörtern. Ob die Aussage „Die Frau ist gut, aber die Stellung schlecht“ nun jedoch als Partieanalyse und Bewertung der spielstarken Gegnerin oder aber als typisch männliches Sexgeprotze zu bewerten ist, konnte selbst der Schiedsrichter nicht klären. Auch konnte ich die hartnäckigen Fragen nach übermäßigem Alkoholgenuss, motiviert durch meine rote Nase, mit überzeugend zur Schau getragenen Erkältungssymptomen abschmettern. Die unfreiwilligen morgentlichen Wechselbäder hatten ihre Wirkung leider gänzlich verfehlt. Von Abhärtung war bei mir jedenfalls keine Spur.

Die abschliessende 5. Runde verlief dann wechselhaft. Volker hatte mit dem Damengambit seines Gegners Siegfried Steppan (SV Werder/Havel) so seine liebe Mühe, und gab zu, unter Motivationsproblemen zu leiden, da er den als Sachpreis ausgelobten Gutschein für 25 kg Kartoffeln nicht gewinnen wollte. Selbst der verzweifelte Ruf „Ja, sollen deine Kinder denn verhungern???“ konnte ihn nicht so recht in Spiellaune versetzen, und so willigte er, kurze Zeit nachdem die eröffnungstheoretischen Bahnen verlassen wurden, ins Remis ein. Obwohl er damit nicht nur den ersten Platz verschenkte, der ihm bei einem Sieg sicher gewesen wäre, sondern auch noch den zweiten Platz aufgrund mangelnder Buchholzpunkte, kann man von einem gelungenen Turnier sprechen. Ungeschlagen und ein DWZ-Plus von sagenhaften 12 Pünktchen - dann doch eine gute Einstimmung auf die anstehenden Mannschaftskämpfe.

Nicht weniger erfolgreich verlief auch das Turnier für Philipp. Gegen Volker Abend (SC Schwante) übernahm er sofort die Kontrolle über die Partie, und führte sie überlegen zum Sieg. 3,5 Punkte, sehr ansprechende Angriffspartien, bei denen ich als Trainer mehrmals Mühe hatte, noch durchzublicken, und auch hier ein Plus bei der heiligsten Sache der Welt von 68 Punkten - das macht Hoffnung auf eine gute Saison.

Und selbst für meine weitere Karriere gab dieses Turnier neue Hoffnung. Wenn auch demnächst vielleicht als Halma-Profi. Die letzte Partie gegen Volkmar Weiß (SC Schwante) jedenfalls fiel wieder in die Kategorie „Kannste abhaken!“. Die Eröffnungsphase verlief passabel, die Mittelspielstellung war vorteilhaft, doch selbstverständlich reichte dies nicht aus. In einem kurzen taktischen Scharmützel übersah ich, dass die gegnerische Dame doch direkt (!) gedeckt war, und dass meine „Fesselung“ ein kompletter Reinfall war. Wenig später musste ich dann noch eine Figur für 2 Bauern geben, und stellte die nutzlose Verteidigung etwas später entnervt ein. Nix Neues also bei mir.

Beim Halma gibts auch keine Damen, stimmts?

Überraschenderweise reichte es dann doch noch zu Platz 5, einer glänzenden Medaille und einem märchenhaften Plus von 19 bei meiner DeppenWertZahl. Und obwohl ich nicht oft in der Nähe von Schwante bin, werde ich den Sachpreis in Form eines Gutscheins für eine Fototorte dennoch einlösen. Die Homepage der Bäckerei Plentz macht auf jeden Fall schonmal Appetit.

Einziger Wermutstropfen bei diesem gelungenen Turnier war dann, dass die versprochene junge Dame als Schachgöttin Caissa leider nicht die Siegerehrung vornehmen konnte. Ihre Anreise war dann wohl doch komplizierter als gedacht.

Informationen zur Frage im Titel dieses Berichts bitte an meine E-Mail-Adresse!

Und auch die verzweifelten Versuche von Frank Wessel, auf den Straßen rund ums Spiellokal noch adäquaten Ersatz zu organisieren, blieben erfolglos. Ob das nun an dem schwarz-güldenen Hemd und dem lockeren Spruch „Hey, willst du dir mal schnell 20 EURO verdienen?“ lag, sei dahingestellt. Er übernahm dann die Siegerehrung selbst, leider jedoch ohne das extra bereitgestellte Krönchen der Schachgöttin zu benutzen, und gestaltete diese mit charmanten Sprüchen zu jedem Preisträger gewohnt locker und amüsant. Die originellen Sachpreise sorgten ebenso für Heiterkeit. Leider waren meine Favoriten, der Kartoffelgutschein und die Marderfalle, bereits vergriffen. Aber vielleicht reichts ja beim nächsten Mal dafür - denn wiederkommen werd ich bestimmt.

Und vielleicht organisiert der SC Schwante ja bald auch ein Halmaturnier?!

Fazit: Das Turnier in Schwante ist definitiv eine Reise wert!

Abschlusstabellen
Gruppe A

Rang Name Verein Punkte BuHo BuSu
1 Hoffmann,Rainer SC Schwante 4,5 13,0 66,5
2 Weiß,Volkmar SC Schwante 3,5 15,0 63,5
3 Meier,Wolfgang SC Schwante 3,0 13,0 63,0
4 Borchardt,Carlo BSG Stahl Eisenhüttenstadt 2,5 13,5 64,5
5 Budach,Olaf SV Briesen 2,5 13,5 63,5
6 Stegmann,Jens SC Zugzwang 95 2,5 13,0 59,0
7 Wessel,Frank SC Schwante 2,5 10,5 65,0
8 Oberling,Mario SV Cassia Falkensee 1997 2,0 10,0 63,0
9 Krüger,Peter SC Schwante 1,5 12,0 58,0
10 Kopiske,Manfred SC Schwante 0,5 11,5 59,0


Gruppe B

Rang Name Verein Punkte BuHo BuSu
1 Steppan,Siegfried SV Werder/Havel 4,0 14,0 67,5
2 Müller-Schwartz,Joachim SC Schwante 3,5 15,5 65,5
3 Heinrich,Volker SV Briesen 3,5 14,5 67,0
4 Heinrich,Philipp SV Briesen 3,5 12,0 63,0
5 Weinert,Martin SV Gryps 3,0 14,5 67,0
6 Wolfram,Mike Schach-Club Wittstock 3,0 11,5 63,5
7 Gebauer,Michael SC Schwante 2,0 12,5 60,5
8 Abend,Volker SC Schwante 2,0 11,0 59,0
9 El Sayed,Sayed,Dr. SC Schwante 2,0 10,0 58,5
10 Mohr,Horst SV Cassia Falkensee 1997 1,5 13,0 62,5
11 Brauße,Erik SC Schwante 1,0 11,5 59,5
12 Hebborn,Ben SV Gryps 1,0 10,0 56,5
Zuletzt geändert: 2017/12/27 17:53