Lichtenrader Herbst 2017

Zum ersten Mal für mich stand der Lichtenrader Herbst auf dem Programm im diesjährigen „Schachherbst“. Ich entschloss mich neben dem gleichzeitig stattfindenden Eckbauer Open und den Mannschaftswettkämpfen in Brandenburg auch an diesem internationalen Turnier teilzunehmen. Schließlich ist es eines der schachlichen Highlights, das Berlin zu bieten hat und das ich mir auch nicht entgehen lassen wollte. Mit 183 Teilnehmern, darunter 5 GM´s, war das Turnier hochkarätig besetzt.

Ich war neugierig, wie man so viele Spieler unterbringen konnte und wie die doch von anderen Spielern so angepriesene Atmosphäre wahrzunehmen ist. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Gemeinschaftshaus in Lichtenrade bot genügend Platz um alle 183 Teilnehmer in einem Raum unterzubringen. Dazu waren die die ersten 20 Bretter auf einem erhöhten Podest aufgebaut, was auch zur besonderen Turnieratmosphäre für die stärkeren Spieler beitrug. Ich schaffte es, kleiner SPOILER, leider nicht dorthin. Außerdem ist hervorzuheben, dass durch Öffnungsklappen an der Decke immer wieder frische Luft im Turniersaal herein kam. Bei über 180 Teilnehmern in einem Raum kann die Luft schon mal „dick“ werden. Im Übrigen ist der Umgang mit der Luft im Turniersaal ein Punkt, den viele Organisatoren von Turnieren gerne vergessen. Deshalb war ich sehr glücklich darüber, dass auch mal ein frischer Windzug durch den Raum ging.

In der ersten Runde musste ich gegen Anne Geiß ran. Die scheinbare „Pflichtaufgabe“ (sie war an 177 und ich an 87 gesetzt) wurde fast zum Stolperstein für mich. Nach viel zu aggressiver Spielweise konnte ich erst nach einem ungerechtfertigten Opfer meiner Gegnerin den Sieg einfahren.

In der zweiten Runde dann das Kontrastprogramm. Ich spielte gegen FM Jürgen Federau, der hier der haushohe Favorit gegen mich war. Ich spielte diesmal sehr solide in der Eröffnung und nutze einen ungenauen Zug meines Gegners aus und übernahm die Initiative. Leider spielte ich am Ende zu unpräzise Züge und gab den Vorteil wieder aus der Hand. Mit dem daraus resultierendem Remis gegen einen Titelträger war ich trotzdem sehr zufrieden.

In der dritten Runde kam es wieder dicke für mich. Mein Gegner war Maximilian Paul Mätzkow. Eines der jugendlichen Talente Brandenburgs, der auch an Brett 1 für den ESV Eberswalde in der Landesliga spielt. Ich bereitete mich diesmal sehr intensiv vor und konnte in der Eröffnung sehr gut gegenhalten. Leider unterlief mir dann ein sehr simpler taktischer Fehler und ich musste früh eine Leichtfigur gegen zwei Bauern geben. Mein Gegner war dann aber doch zu abgezockt und sein Sieg war zu keinem weiteren Zeitpunkt gefährdet.

In der vierten Runde erwartete mich wieder ein schweres Los. Ich spielte gegen Yannick Kather, der an der 2000er DWZ-Marke kratzte. Wieder bereitete ich mich mit Schwarz bis in den 17 Zug vor (die Variante kam tatsächlich auch aufs Brett), stand komplett auf Ausgleich, verlor aber erneut nach einem simplen Rechenfehler einen Bauern. Nach weiteren qualvollen 30 Zügen in einem Turmendspiel musste ich dann letztendlich doch die Waffen strecken. Diese Niederlage war doch sehr ärgerlich, weil ich erneut nicht von der guten Vorbereitung profitieren konnte und mögliche Punkte gegen starke Gegner sehr einfach verschenkte.

In Runde fünf bekam ich Hans-Peter Wilke als Gegner, wobei ich mal wieder Favorit war. Nach solider Eröffnung konnte ich einen entscheidenden Angriff auf die gegnerische Königsstellung starten, den mein Gegner unterschätzte. Wenig später setzte ich Matt und konnte den zweiten Sieg des Turniers verbuchen. Endlich wieder ein Erfolgserlebnis.

In der sechsten Runde wieder das gewohnte Bild: ich gegen einen 2000er. Diesmal führte ich die schwarzen Steine gegen Matthias Hahlbohm. Ich bereitete mich mal wieder intensiv vor und konnte die Stellung lange im Gleichgewicht halten. Mein Gegner lehnte mein Remisangebot ab und spielte nun kompromisslos auf Gewinn. In Zeitnot verspielte er allerdings seine vorteilhafte Stellung und musste im Endspiel um den halben Punkt kämpfen. Nach über 80 Zügen und 5,5 Stunden konnte ich meinen letzten Bauern umwandeln und den Sieg einfahren. Was für ein Kraftakt.

In der nächsten Runde spielte ich gegen Bao Anh Le Bui, einem jungen Spieler, der ein oft gesehener Gast der deutschen Jugend-Meisterschaften ist und somit Favorit gegen mich war. Ich spielte wieder eine solide Eröffnungsbehandlung, gab aber im Mittelspiel Zug für Zug die Initiative ab. Mit einem spektakulären Opfer beendete er dann meine Remis-Ambitionen und siegte völlig verdient.

In der letzten Runde (ich stieg nach der achten Runde aus, da ich in der Landesklasse spielen musste) bekam ich mit Felix Reichmann wieder einen ambitionierten jugendlichen Gegner, der schnell seine Züge aufs Brett knallte, dann aber doch ein paar Ungenauigkeiten einbaute, die ich ausnutzen konnte. Somit schloss ich das Turnier mit einem gut rausgespielten Sieg ab.

Insgesamt kann ich mit 4,5 Punkten aus 8 Runden gegen teilweise sehr starke Gegner sehr zufrieden sein. Außer den simplen Fehlern in den Runden 3 und 4 habe ich gegen starke Gegner gut mithalten und gegen „schwächere“ Gegner die Siege einfahren können.

Für diejenigen, die gegen richtig starke Spieler spielen und etwas „internationale Turnieratmosphäre“ schnuppern möchten, kann ich das Turnier nur weiterempfehlen. Die Organisation und Verpflegung sind wirklich top. Allerdings ist das Startgeld sehr hoch (50€ mit der höchsten Rabattstufe) und wer nebenbei arbeiten muss (die Runden in der Woche starteten um 17:00 Uhr) hat mit der Doppelbelastung zu kämpfen (besonders wenn man bis 22:30 noch am Brett sitzt). Wer aber genügend Zeit mitbringt und viel lernen möchte, dem kann ich das Turnier nur dringend empfehlen.

Dave Möwisch

Zuletzt geändert: 2017/12/27 17:53